Die Thora

Quran, Sura 5:44

Wahrlich, Wir hatten die Thora, in der Führung und Licht war, herabgesandt. Damit haben die Propheten, die sich (Allah) hingaben, den Juden Recht gesprochen, und so auch die Rabbiner und die Gelehrten; denn ihnen wurde aufgetragen, das Buch Allahs zu bewahren, und sie waren seine Hüter. Darum fürchtet nicht die Menschen, sondern fürchtet Mich; und gebt nicht Meine Verse (Zeichen) um einen geringen Preis hin. Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat – das sind die Ungläubigen.

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Allah swt. hat die Thora herab gesandt und die Verantwortung über die authentische Bewahrung an die Rabbiner und Gelehrten der Israeliten aufgetragen. Und dieser Befehl wird auch in der Bibel erwähnt, in 5.Mose 4,1-2:

1 Und nun, Israel, höre auf die Satzungen und auf die Rechtsbestimmungen, die ich euch zu tun lehre, damit ihr lebt und hineinkommt und das Land in Besitz nehmt, das euch der HERR, der Gott eurer Väter, gibt. 2 Ihr sollt nichts hinzufügen zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete.

Dies war eine Prüfung für sie. Und im Laufe der Zeit haben sie die Schrift verändert. Dies geschah auf zweierlei Art. Zum einen in dem sie nur einen Teil der Schrift angenommen und einen anderen Teil aussortiert, verleugnet haben. Somit haben sie einen Teil davon, womit sie ermahnt worden sind, im Laufe der Zeit vergessen. Hinzu kommt aber noch, dass es Menschen unter den Israeliten gab, die mit ihrer eigenen Hand etwas schrieben und dann behaupteten, dass es von Allah swt. wäre. Somit haben sie dann am Ende die Worte Allahs swt. mit den Worten von Menschen vermischt. Das ist die islamische Position.

Quran, Sura 2:79

Doch wehe denjenigen, die die Schrift mit ihren (eigenen) Händen schreiben und hierauf sagen: “Das ist von Allah”, um sie für einen geringen Preis zu verkaufen! Wehe ihnen wegen dessen, was ihre Hände geschrieben haben, und wehe ihnen wegen dessen, was sie verdienen.

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Dass dies der Wahrheit entspricht, dass die Thora nicht authentisch überliefert wurde, kann man anhand der verschiedenen Schriftrollen, die man in Qumran gefunden hat, sehr gut nachweisen. Im Gegensatz zur großen Jesaja Rolle werde ich hier bei aber nicht nur eine Schriftrolle thematisieren, sondern mehrere. Dabei gebe ich am Anfang den Namen der jeweiligen Rolle an, wie z.B. “4Q252”. Diese Namen setzen sich übrigens folgendermaßen zusammen, die Zahl am Anfang mit dem Buchstaben Q bezieht sich auf die Höhle, in der es gefunden wurde. In dem Fall “4Q252” sagt der Name z.B. aus das diese Schriftrolle in der Höhle 4 in Qumran gefunden wurde, und das die Rolle mit der Nummer 252 kategorisiert wurde.

Die Übersetzungen der Schriftrollen und weitere Texte entnehme ich dabei dem Buch “Die Schriftrollen von Qumran – Übersetzung und Kommentar. Mit bisher unveröffentlichten Texten“. Gerade in den Einleitungen zu den verschiedenen Schriftrollen kann man sehr schön sehen, wie die Christen versuchen, die Unterschiede in diesen Texten zur Bibel schönzureden.

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1Q22

Die Schriftrollen von Qumran, ab Seite 190.

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Für die Verfasser der Schriftrollen vom Toten Meer war die Bibel eine unbegrenzt sprudelnde Quelle der Weisheit und der Lehre. Gelegentlich hielten die Verfasser es aber für notwendig, Abschnitte zu bearbeiten, um die Botschaft, die sie darin fanden – oder finden wollten -, besser zur Geltung zu bringen. Manchmal wurden biblische Geschichten deshalb bearbeitet, – wie z.B. Patriarchen-Geschichten (Text 2) -, um ihren Unterhaltungswert zu erhöhen.

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“Abschnitte zu bearbeiten” … und genau dies, dass die Schreiber dieser Rollen die Texte bearbeitet hätten, ist eine Behauptung, die wir immer wieder und wieder lesen werden. Denn irgendwie muss man es sich ja schön- bzw. die Tatsache wegreden, dass es große Unterschiede zwischen den Texten in Qumran und der Bibel gibt. Und obwohl diese Schriftrollen zum Teil über tausend Jahre älter sind als das, was man bisher an Textzeugnis hatte, müssen natürlich diese ältesten Zeugnisse “überarbeitet” sein, … und nicht etwa die späteren Bibeltexte. Denn es darf ja nicht sein, was nicht sein darf.

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1Q22 Kolumne 1

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Gott rief Mose im vierzigsten Jahr, nachdem die Kinder Israels das Land Ägypten verlassen hatten, im elften Monat, am ersten Tag des Monats und sagte: Versammle das ganze Volk und steig auf […] und stelle dich hin, du und Eleasar, der Sohn Aarons. Erkläre den Stammeshäuptern, den Leviten und all den Priestern und befiel den Kindern Israels die Worte des Gesetzes, die ich dir am Berge Sinai befohlen habe, daß du sie ihnen zu Ohren befehlst.

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Hier haben wir in 1Q22 eine Parallelstelle zu 5.Mose 1, wo es heißt:

3 Und es geschah im vierzigsten Jahr, im elften Monat, am Ersten des Monats, dass Mose zu den Kindern Israels redete, und zwar alles so, wie es ihm der HERR für sie geboten hatte; 4 nachdem er Sihon, den König der Amoriter, der in Hesbon wohnte, geschlagen hatte, dazu Og, den König von Baschan, der in Astarot und in Edrei wohnte. 5 Auf der anderen Seite des Jordan, im Land Moab, fing Mose an, dieses Gesetz auszulegen, und er sprach: 6 Der HERR, unser Gott, redete zu uns am [Berg] Horeb und sprach: Ihr seid lange genug an diesem Berg gewesen!

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Wie man sieht, wird dieselbe Zeitangabe gemacht; Jahr, Monat, Tag, es geht um denselben Kontext. Dennoch geht die Erzählung anders weiter. Eine mögliche Erklärung, wieso das so ist, bietet der Name des Berges am Ende des Abschnitts. In der Schriftrolle heißt es “am Berge Sinai”, im Bibeltext an der Stelle aber “am Berge Horeb”. In der Forschung ist man sich nicht sicher, ob diese beiden Namen ehemals vielleicht nicht zwei verschiedene Berge gemeint haben, die in der Bibelzusammenstellung letztlich zu einem Berg gemacht worden sind oder nicht. Soll heißen, hat es zwei verschiedene Texttraditionen gegeben, wobei bei einem der Name “Sinai” bei dem anderen aber “Horeb” verwendet wurde? Auf jeden Fall ist der Name “Horeb” aber der Name der in der Thora im 5. Mose genutzt wird. Während in den anderen Büchern vor allem oder ausschließlich Sinai genutzt wird. Dieser Text aus 1Q22 könnte also eine Parallelstelle von 5. Mose 1 sein, die man nicht mit in die Bibel aufgenommen, die man irgendwann aussortiert hat.

In derselben Rolle ist ein anderer Abschnitt, der sehr interessant ist. Und zwar wird Moses direkt von Gott angesprochen, dass er den Israeliten etwas verkündigen muss, das ihnen nicht gefallen wird:

Erkläre sorgfältig alles, was ich von ihnen verlange und rufe als Zeugen gegen sie den Himmel und die Erde, denn das, was Ich ihnen befehle, wird ihnen nicht gefallen, noch wird es ihren Nachkommen gefallen, alle Tage, die sie in dem Land verbringen. Denn ich verkündige dir, daß sie mich verlassen werden und es vorziehen werden, den Götzen der Heiden und ihren Greuel und ihren schmutzigen Taten nachzufolgen, und sie werden falsche Götter anbeten, die zur Falle und Schlinge werden, und sie werden jede geheiligte Versammlung und den Sabbat des Bundes sowie die Festzeiten übertreten, genau diejenigen, die ich ihnen heute befehle, einzuhalten.

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Diese Stelle steht heute nicht im Text der Thora, dennoch war es vielleicht mal ein Teil davon. Tatsächlich gibt es aber eine interessante Übereinstimmung im Text der Bibel, von Moses dem Volk Israel etwas verkündet, dass ihnen nicht gefallen dürfte, 5.Mose 4:

23 So hütet euch nun, dass ihr den Bund des HERRN, eures Gottes, nicht vergesst, den er mit euch gemacht hat, und euch nicht ein Bildnis macht von irgendeiner Gestalt, was der HERR, dein Gott, dir verboten hat! 24 Denn der HERR, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifersüchtiger Gott. 25 Wenn du nun Kinder und Kindeskinder zeugst und ihr euch in dem Land eingelebt habt und verderblich handelt und euch ein Bildnis macht von irgendeiner Gestalt und das tut, was böse ist in den Augen des HERRN, eures Gottes, dass ihr ihn erzürnt, 26 so rufe ich heute Himmel und Erde zu Zeugen gegen euch an, dass ihr gewiss bald ausgerottet werden sollt aus dem Land, in das ihr über den Jordan zieht, um es in Besitz zu nehmen; ihr werdet nicht lange darin wohnen, sondern gewiss [daraus] vertilgt werden!

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Daran, dass Moses an dieser Stelle “den Himmel und die Erde” zum Zeugen gegen die Israeliten nimmt, sieht man, dass dies derselbe Kontext ist. An dieser Stelle in der Bibel teilt Moses dem Volk also das mit, was ihm zuvor von Gott aufgetragen wurde. Interessanterweise fehlt aber etwas Wichtiges, wenn man beide Stellen miteinander vergleicht. Der Text in 5.Mose 4 geht folgendermaßen weiter:

27 Und der HERR wird euch unter die Völker zerstreuen, und es wird eine geringe Zahl von euch übrig bleiben unter den Heiden, zu denen euch der HERR hinwegtreiben wird. 28 Dort werdet ihr den Göttern dienen, die das Werk von Menschenhänden sind, Holz und Stein, die weder sehen noch hören noch essen noch riechen.

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Dass sie falsche Götter anbeten werden, wird erwähnt, aber da steht nichts davon, dass sie die “geheiligte Versammlung und den Sabbat des Bundes sowie die Festzeiten übertreten”, wie es in der 1Q22 steht. Falls dieser Text von Qumran authentisch sein sollte, wäre die Frage, wieso man wohl genau das weggelassen hat. Ganz einfach weil diesen Stellen davon gesprochen wird, das sie von der “Versammlung”, also von der Gemeine bzw. davon abfallen das “Volk Gottes” zu sein. Es geht darum das sie davon was Gott ihnen befielt, von der Thora abfallen werden. Ohne die Thora gibt es keine Verbindung mit Gott. Es geht darum das sie von der Religion abfallen, es geht darum das sie den Bund brechen werden. Und dass genau diese Information, dass sie von Gott abfallen werden, dass sie nicht auf ewig »Gottes Volk« sind, das ist die Information “ihnen nicht gefallen wird”.

Es gibt zwar viele solcher Stellen in der heutigen Bibel, wo es heißt, dass Gott wütend auf „Sein Volk“ ist, sogar dass Er es verwirft, aber am Ende ist es im heutigen Text immer versöhnlich, am Ende wird quasi alles davor erwähnte wieder weggewischt. Genauso auch hier in dem Fall. Während es in der Qumranrolle heißt, dass sie, das Volk, den Bund brechen werden, heißt es in 5.Mose 4 am Ende:

29 Wenn du aber von dort den HERRN, deinen Gott, suchen wirst, so wirst du ihn finden, ja, wenn du ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchen wirst. 30 Wenn du in der Drangsal bist und dich alle diese Dinge getroffen haben am Ende der Tage, so wirst du zu dem HERRN, deinem Gott, umkehren und seiner Stimme gehorsam sein. 31 Denn der HERR, dein Gott, ist ein barmherziger Gott; er wird dich nicht verlassen noch verderben; er wird auch den Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, nicht vergessen.

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Es gibt eine ähnliche Stelle in der Bibel, wo man aus islamsicher Sicht gesehen sehr deutlich erkennen kann, dass da etwas am Text der Thora verändert wurde. Dies möchte ich hier auch kurz erwähnen, weil es in den Kontext passt. In 2.Mose 32 steht:

9 Und der HERR sprach zu Mose: Ich habe dieses Volk beobachtet, und siehe, es ist ein halsstarriges Volk. 10 So lass mich nun, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und ich sie verzehre; dich aber will ich zu einem großen Volk machen! 11 Mose aber besänftigte das Angesicht des HERRN, seines Gottes, und sprach: Ach HERR, warum will dein Zorn gegen dein Volk entbrennen, das du mit so großer Kraft und starker Hand aus dem Land Ägypten geführt hast? 12 Warum sollen die Ägypter sagen: Zum Unheil hat er sie herausgeführt, um sie im Gebirge umzubringen und von der Erde zu vertilgen? Wende dich ab von der Glut deines Zorns und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk [bringen willst]! 13 Gedenke an deine Knechte, Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und zu denen du gesagt hast: Ich will euren Samen mehren wie die Sterne am Himmel, und dieses ganze Land, das ich versprochen habe, eurem Samen zu geben, sollen sie ewiglich besitzen! 14 Da reute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk anzutun gedroht hatte.

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Gott sagt Er will “Sein Volk” vernichten aber Moses belehrt Gott, wie man ein kleines Kind belehrt, sodass Gott es bereut, dass Er mit sowas überhaupt gedroht hat. Diese Stelle ist mit Sicherheit nicht Gotteswort, da Gott hier nicht als der Allwissende beschrieben wird. Wie könnte Gott, der Allwissend und Allweise ist, etwas bereuen? Reue empfinden wir Menschen, weil wir etwas falsch gemacht haben. Und genau das wird an dieser und vieler anderer Stellen in der Bibel Gott zu gesprochen. Dass Er Fehler gemacht hätte, dass Er bereut, was Er gesagt, angedroht oder getan hätte. – Gott, Allah swt. ist frei von den Schwächen, die ihn diese Verfälscher der Gottesworte zugeschrieben haben!

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4Q158

Die Schriftrollen von Qumran, ab Seite 218.

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In dieser Schriftrolle sind einige Stellen aus der Bibel, unter anderem auch diese sehr bekannte Erzählung:

25 Jakob aber blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. 26 Und als dieser sah, dass er ihn nicht bezwingen konnte, da rührte er sein Hüftgelenk an, sodass Jakobs Hüftgelenk verrenkt wurde beim Ringen mit ihm. Noch hielt er ihn fest. 27 Und der Mann sprach: Lass mich gehen; denn die Morgenröte bricht an! Jakob aber sprach: Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich! 28 Da fragte er ihn: Was ist dein Name? Er antwortete: Jakob! 29 Da sprach er: Dein Name soll nicht mehr Jakob sein, sondern Israel; denn du hast mit Gott und Menschen gekämpft und hast gewonnen! 30 Jakob aber bat und sprach: Lass mich doch deinen Namen wissen! Er aber antwortete: Warum fragst du nach meinem Namen? Und er segnete ihn dort und sagte: „Möge der HERR dich fruchtbar machen und dich zahlreich werden lassen […] Möge Er dir Erkenntnis und Einsicht gewähren. Möge Er dich von allen schlechten Taten bewahren, und […] bis zu diesem Tag und in Ewigkeit […]. Dann ging der Mann seines Wegs, nachdem er Jakob dort gesegnet hatte. 31 Jakob aber nannte den Ort Pniel; denn er sprach: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden! 32 Und die Sonne ging ihm auf, als er an Pniel vorüberzog; und er hinkte wegen seiner Hüfte. Und der HERR erschien vor Jakob an diesem Tag und sagte: „Du sollstest den Muskelstrang über dem Hüftgelenk nicht essen.“ 33 Darum essen die Kinder Israels bis zum heutigen Tag die Sehne nicht, die über das Hüftgelenk läuft, weil Er Jakobs Hüftgelenk, die Hüftsehne, angerührt hat. Der HERR sprach zu Aaron: „Geh hinaus in die Wildbnis, Mose entgegen!“ Da ging er. Am Gottesberg traf er ihn und küßte ihn. Mose erzählte Aaron von dem Auftrag, mit dem der Herr ihn gesandt hatte, und von allen Zeichen, zu denen Er ihn ermächtigt hatte…

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1. Mose 32“Jakobs Kampf am Jabbok”, ist wie erwähnt eine sehr bekannte Bibelstelle. Das interessante ist aber nun, dass alles, was ich rot eingefärbt habe, nicht im heutigen Text der Bibel enthalten ist. Wenn man den Text so liest, wie er heute Kanon ist, so kann man verstehen, dass Jakob tatsächlich mit Gott selbst gerungen hätte. Und genauso verstehen es auch viele Christen – Jakob, ein einfacher Mensch, hätte mit Gott gekämpft. In dem Text, wie er in der Qumranrolle zu finden ist, ist es hingegen klar, dass dieser Mann zwar eventuell ein Engel, mit Sicherheit aber nicht Gott ist. Während heute im Text nur steht, dass der Mann Jakob segnete, steht in 4Q158 auch wie er das tat. Der Mann sagt: “Möge der HERR dich fruchtbar machen und dich zahlreich werden lassen. Möge Er dir Erkenntnis und Einsicht gewähren …” soll heißen schon beim ersten Satz wird klar das dieser Mann, Jakob segnet in dem er ein Bittgebet an Gott richtet. Daher ist es in diesem Text auch offensichtlich das er nicht selbst Gott ist.

In dem Buch steht da auch noch eine interessante Information zu diesem Text:

“Er hielt ihn fest“. Diese Ergänzung findet sich auch in einer frühen Übersetzung der Bibel ins Aramäische, die unter der Bezeichnung Targum Neofiti bekannt ist. Targum Neofiti ist zwar nur in Gestalt einer frühmittelalterlichen Abschrift erhalten, aber viele ihrer Niederschriften sind Jahrhunderte älter. Die Tatsache, daß Neofiti mit unserem Text, der dem Genesis-Text hinzugefügt wurde, übereinstimmt, deutet darauf hin, daß diese Leseart nicht bloß als eine einmalige Erklärung unseres Autors angesehen werden kann. Vielleicht war sie sogar ursprünglicher Bestandteil des Bibeltextes.

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Vielleicht ursprünglich… aber wieso sollte jemand diesen Text so ändern? Was hat man davon, dass es nun so klingt, als wenn der Stammvater Jakob tatsächlich mit Gott anstatt mit einem Mann oder einem Engel gekämpft hätte? Durch diesen Kampf bekommt das Volk Israel seinen Namen:

„er kämpft wider Gott“

https://de.wikipedia.org/wiki/Israeliten

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Ich weiß es natürlich nicht. Aber vielleicht könnte es sein, dass man sich selbst, das Volk erhöhen wollte, in dem man die Situation bei dem das Volk seinen Namen bekommen hat, weiter ausgeschmückt hat. Aus Israel – “Dem Kämpfer Gottes” wurde durch diese Textversion “Der gegen Gott kämpft” … und natürlich gewinnt. … gegen den Allmächtigen. …

Dass diese Geschichte, so wie viele Christen es verstehen und lehren, keinen wirklichen Sinn ergibt, muss man eigentlich nicht weiter ausführen. Ob diese Verse, die in Qumran gefunden wurden, diese zusätzlichen Verse, ob die auf eine ehemals authentische Version dieser Geschichte verweisen, weiß ich nicht. Aber eines weiß ich mit Bestimmtheit, Jacob hat, mit Sicherheit, nicht gegen Gott gekämpft.

Ab hier möchte ich nicht mehr die einzelnen Texte, sondern ein paar Einleitungen zu verschiedenen Rollen zitieren. Bei einigen Rollen sind die Fragmente doch sehr bruchstückhaft und ich möchte die Leserlichkeit dieses Textes daher nicht weiter erschweren. Die Einleitungen fassen den Inhalt der jeweiligen Rolle gut zusammen, und geben uns oft auch die Information, auf die es ankommt.

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4Q364-365

Die Schriftrollen von Qumran, ab Seite 341.

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Die alten Juden verfügten über viele Methoden, ihre heiligen Texte zu erläutern. Ein erster Weg war der einfache Kommentar, der einen Textabschnitt erklärt oder interpretiert. Auch die Gruppe vom Toten Meer hatte ihre Kommentare. In manchen Fällen war es einfacher, eine Geschichte neu zu schreiben und sie um Details zu ergänzen, wie in Text 2, Patriarchen-Geschichten, geschehen. In anderen Fällen sind Verse ausgelassen, drastisch gekürzt oder in ihrer Reihenfolge verändert worden. Ob solche „Veränderungen“ noch als Kommentare des Pentateuch zu werten sind oder eher als eine “wilde“, bis heute unbekannte Variante des Pentateuch, ist noch offen. Wenn letzteres zutreffen sollte, würden einige der folgen Verse keine „Bearbeitung“ des Mosaischen Gesetzes darstellen, sondern sie wären die originale Lesart.

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4Q368

Die Schriftrollen von Qumran, ab Seite 343.

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Wie der Kommentar zum Gesetz des Mose (Text 80), handelt es sich beim apokryphen Pentateuch wohl um eine Version des Gesetzes des Mose mit bisher unbekannten Ergänzungen.

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4Q377

Die Schriftrollen von Qumran, ab Seite 353.

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Mose verfasste wohl mehr als die fünf Bücher, die ihm die biblische Tradition zuschriebt. Unter den Schriftrollen vom Toten Meer sind fast ein Dutzend Werke, die zwar nicht in unserer Bibel auftauchen, aber durch die eine oder andere Anspielung auf Mose als Verfasser hindeuten.

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4Q422

Die Schriftrollen von Qumran, ab Seite 405.

Der Kommentar zu Genesis und Exodus ist ein weiteres Beispiel der weitverbreiteten Methode der Bibelauslegung innerhalb des Judentums zur Zeit des zweiten Tempels (zumindest in bestimmten Kreisen): Die „überarbeitete Bibel“.

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Fazit

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Wie können die Christen sich bei dieser Sachlage nur auf die Schriftrollen vom Toten Meer berufen, wenn es um die Authentizität der Bibel geht? Auch wenn ich nur Beispiele in Bezug auf die Thora genannt habe, müsste dies ausreichen, um aufzuzeigen, dass der Fall genau andersherum ist. Die Schriftrollen von Qumran sind kein Beweis für, sondern gegen die Authentizität der Bibel.